Das Bild zeigt den Texter Stefan Thönes aus dem Saarland

Der verlorene Ehering

von Stefan Thönes - alle Rechte vorbehalten.

Soll einer behaupten, wir Männer geben uns keine Mühe. Für unseren diesjährigen Hochzeitstag dachte ich mir etwas ganz Besonderes aus.

 

Was freut Frauen wohl am meisten? Ist doch klar. Das ist bei Männern und Frauen das Gleiche: Wenn wir etwas wiederfinden.

 

Frauen mögen außerdem Symbole. Was bietet sich da zum Hochzeitstag mehr an, als der Ehering?

 

In etwa vier Wochen, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, ist es soweit. Zur Sicherheit werfe ich einen Blick ins Familienbuch, da steht der Termin Schwarz auf Weiß. Männer und Jahrestage. Man(n) muss auch einmal zu seinen Schwächen stehen.

 

Bleibt also genügend Vorlaufzeit mit viel Vorfreude.

 

Unauffällig lasse ich den Ehering meiner Frau aus dem Bad verschwinden. Das wird eine Überraschung!

 

Schon nach einer halben Stunde bemerkt sie den Verlust. Wir verbringen die restliche Zeit des Tages damit, das Bad auf den Kopf zu stellen. Tränen der Verzweiflung laufen meiner besseren Hälfte die Wangen herunter, als wir den Ring nicht finden.

 

Du meine Güte. Das ist doch nicht „der Ring“, Sauron’s Ring der Macht oder so etwas.

 

Mit jeder Träne, jedem verwunschenem Fluch, mit dem sie ihren Wunsch bekundet, den Ring wiederzufinden, werde ich sicherer.

 

Das ist die Idee überhaupt. Wieso machen das nicht mehr Männer?

 

Sie wird sich am Hochzeitstag ein Loch in den Bauch freuen, wenn ich ihr den Ring freudestrahlend wiedergebe.

 

Allerdings mache ich mir so langsam Sorgen. Jetzt beginnt meine Frau ernsthaft in Erwägung zu ziehen, dass jemand den Ring entwendet haben könnte.

Mit einer Unschuldsmiene frage ich nach, wer dass denn bitte gewesen sein sollte und dass das Haus ja nichts verlieren würde.

 

Trotz der folgenden Tränen bleibe ich standhaft. Jetzt bin ich ein Geheimnisträger. Umso größer wird die Überraschung am Hochzeitstag. Und die Freude!

 

Komisch nur, dass meine Frau tatsächlich einen Wünschelrutengänger bestellt. Unglaublich. Sie glaubt doch sonst nicht an so einen Quatsch. Der Typ geht doch

tatsächlich das Bad mit seinem umgebogenen Kleiderbügel ab und... findet natürlich nichts. War ja klar. Ein Scharlatan. Der Ring ist an einem sicheren Ort. He, he.

 

Dann kommt der große Tag. Lecker Frühstück wird angerichtet, gemeinsam über die vergangen Jahre gesprochen, rosarote Brille eben. Uuuund... der Clou.

Ich ziehe den Ring aus meiner Tasche.

 

„Da Schatz, was sagst Du?“

 

„Aber...“, stutzt sie und wird leichenblaß, „wie, was, wo, wieso... Du?!“

 

Komisch. Freude sieht anders aus.

 

„Gell, das ist mal eine Überraschung. Und da soll einer sagen, wir Männer wären nicht kreativ!“

Ein Siegeslächeln habe ich im Gesicht. Ein gaaanz breites.

 

Mein Gegenüber denkt kurz nach, schlussfolgert, steht auf und geht.

 

Das nächste Mal habe ich meine Ex-Frau erst wieder beim Scheidungsanwalt gesehen.

 

Wow. Das ist wieder mal typisch. Frauen sind total undankbar.

 

 

<< vorherige Kurzgeschichte >>               << nächste Kurzgeschichte >>